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[Kind – ja, lapsi heißt tatsächlich Kind. *kicher*]

Kindergartenalltag, Woche I:

Mein Arbeitstag beginnt um 8:45, was eine sehr humane Zeit ist oder sein könnte, hätte man davor nicht zu lange frei gehabt. Es geht schon, vor allem brauche ich knapp fünf Minuten mit dem Fahrrad, das ist schon sehr passabel.
Ich komme rein und habe nicht wirklich Zeit meine Schuhe auszuziehen (Weil in Finnland zieht man doch bitte immer seine Schuhe aus. Das geht so weit, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, wenn ich in meiner Wohnung, in der das sonst niemanden interessiert, mit Schuhen in die Küche gehe, um meine Tasche abzustellen), dann helfe ich die Kinder, die gerade gefrühstückt habe, anzuziehen. Dann gehen Anette und Leena mit den Kindern raus und ich fege schnell, räume das Geschirr vom Frühstück weg und mache jeden Tag (außer Freitags! Muha!) eine tolle Putzaufgabe. Das klingt jetzt irgendwie blöd, aber ich bin nicht sonderlich überfordert und was sein muss, muss eben sein. Ich wollte ja meine Hände helfend einsetzten und siehe da, sie werden gebraucht. Dann darf ich auch rausgehen, so gegen halb zehn. Da sitze ich dann nun und bin müde. Die Kinder rennen. Manche nicht. Aleksanteri zum Beispiel. Weil.. ich weiß nicht, der ist auch neu. Ich halte mich also an ihm fest und er sich an mir, was schlecht ist, also muss ich ihn manchmal dazu zwingen mit den anderen zu spielen. Das geht nicht immer, also muss ich manchmal spielen. Wir spielen also vergnügliche Dinge wie fangen und Stöcke werfen und Sandburgen bauen. Oh, ich darf sie auch auf der Schaukel anstoßen, ich bin sehr privilegiert. Wir sind also alle total glücklich miteinander. Alle drei Minuten heult ein Kind und erklärt mir auf finnisch, warum und wer schuld ist. Ich lächle milde und erkläre wahlweise auf Deutsch oder Englisch, dass alles wieder gut wird und dass Gott nur den zu sich holt, den er liebt, dass also niemand was befürchten muss. Manchmal versuchen wir auch rauszufinden, was man alles mit einem Regenwum anstellen kann. Man sieht, ich bin sehr integriert. Und ich mag sie. Hach.
Gegen 11 gehen wir rein und dann müssen sich alle wieder umziehen und dann nacheinander auf Toilette und die Hände waschen. Dann gibt’s essen. Davor wird ein Spruch gesagt, auf Englisch, der steht da und da ist ein offensichtlicher Fehler drin und ich traue mich nicht was zu sagen „Where is my potatoes?“ oder so ähnlich, dann essen alle. Meine großartige Aufgabe ist es, Milch einzuschenken und darauf zu achten, dass die nicht mehr als vier Tassen beim abräumen aufeinanderstapeln und dass jeder seine Sachen wegräumt. Oh, und ich muss sagen „Take one please“, wenn die so ein Bonbon (?) haben wollen. Ich bin sehr gefordert, das Essen ist kaum gesalzen. Dann lesen sie Bücher. Manchmal lese ich finnische Bücher vor und komme mir sehr doof dabei vor. Manchmal stelle ich auch bloß blöde Fragen, die die Kinder sehr irrtieren müssen, aber sonst lerne ich kein Finnisch. (Es gibt ein Kind, Sylvia, die ist sehr großartig, was das angeht. Ich mag sie. Sie wiederholt für mich zehn mal das gleiche Wort, bis ich es begriffen habe und man meint, sie weiß, was sie da tut. Sie ist drei oder so. Egal.) Dann habe ich eigentlich Pause, aber die nutze ich fast nie. Wären eh nur zehn Minuten, das ist doof. Um 12:30 darf ich die Matratzen an die Kinder verteilen, jeder hat seine eigene und das ist sehr wichtig! Dann wird vorgelesen, nicht von mir, aber ich darf mich dabei zu den lauten, nervigen Kindern setzen und beruhigend sein. Ich kann zum Beispiel mit einer lieblichen Stimme auf Deutsch oder Englisch fluchen. Das funktioniert sehr gut. Dann schlafen die Kinder, mal mehr mal weniger. Eine Stunde oder ein bisschen mehr.
Dann darf weiter gespielt werden und alle wollen sich gegenseitig morden und meucheln. Hier kommt das wahre Wesen der Kinder, und vor allem der Finnischen, zum Ausdruck. Ich mag sie immer noch. Dann geht’s wieder auf Toilette und zum Hände waschen. Toilette Nummer Eins wird von mir überwacht, ich bin sehr streng, aber niemand merkt das, weil die mich nicht verstehen.
Snack. Also so ein Brot oder so, ich bin wieder die freundliche Milchfrau und alle sind mal wieder glücklich. Wieder umziehen und wieder raus. So gegen halb drei oder so. Ja. Ich fahre fort mit den Kindern zu spielen. Ich wurde dazu aufgefordert das zu tun und es macht Spaß, aber die anderen stehen immer nur da und ich komme mir etwas seltsam vor. Aber ich mag Schaukeln eben, kann man nichts machen. Und sie freuen sich so schön. Ehrlich. Trotzdem warte ich immer darauf, dass es 16:15 wird und ich nach Hause kann. Kinder sind laut und sie wollen einem nicht so recht Pausen gönnen.

Ich sollte wohl aufhören so entzückt von Kindern, die sich freuen, zu sein. Aber ich bin ebenfalls entzückt, von Kindern, die gerade einschlafen. Das ist faszinierend zu beobachten. Man sieht, ich habe meine Freude.

Der Kindergarten nennt sich übrigens Englischer Kindergarten, weil.. ich weiß nicht. Manche kleinen Begriffe/Sätze gibt’s auf Englisch, aber eigentlich ist alles auf Finnisch. Aber September soll ich ein bisschen Englischunterricht geben und sie sagen auch jeden Morgen das Datum und Wetter und so auf Englisch, aber so wirklich was können, kann niemand.
Und Deutsch erst recht nicht, das heißt, es ist nicht einfach zu kommunizieren, weil sie nicht verstehen wollen, was ich mit meinen einzelnen Finnischen Wörtern eigentlich gerade ausdrücken will. Aber es wird besser, jaha.

Und ich wäre eine grauenvolle Erzieherin. Weil es gibt Kinder, die mag ich einfach nicht. Ich bin da nicht so sehr objektiv. Und habe auch keine direkten Kriterien. Es gibt so vier Kinder, die nicht so genau verstehen, was nein heißt. Zwei davon bete ich an, die anderen beiden mag ich nicht. Aber na ja, von 21 Kindern nur 19 großartig zu finden, scheint in Ordnung.
Außerdem bin ich auch nicht geeignet, weil ich finde, die merken schon selbst, wenn das jetzt nicht so klug war. Bewerft euch doch mit Steinen, ihr werdet rausfinden, dass das schief gehen kann. Ich glaube, das sollte man eigentlich unterbinden, aber was soll’s. Leben und sterben, so ist das. Jedenfalls. Alles ist gut. Ich glaube, manchmal bin ich sogar wirklich eine Hilfe, manchmal wahrscheinlich auch das Gegenteil, aber ich werde das ja schon noch lernen. Jaha. Und ich werde niemals in meinem Leben dauerhaft in irgendeinem sozialem Job arbeiten, niemals. Und ich bekomme niemals eigene Kinder, ihhpfuibah.

Josefina